Siegen/Niederschelden. (wp) "Hisst die rote Fahne mit
dem Hakenkreuz. Hängt Hitler den Nobelpreis um. Jude, ab in den Ofen." Für Richter
Ulrich Hammer ist das Gegröhle des 24-Jährigen auf der Siegtalstraße in Niederschelden
im Februar 2001 "beschämend und unerträglich".
Gestern wurde der Fall in zweiter Instanz vor der 4. Kleiner
Strafkammer des Siegener Landgerichts verhandelt. Das Amtsgericht hatte den jungen Mann
mit dem kurzen Haar und den Springerstiefeln wegen dieser Volksverhetzung zu 7 Monaten
Haft ohne Bewährung verurteilt. Außerdem hatte er, zusammen mit anderen, gegenüber
einem Niederschelder Bürger beleidigend skandiert: "Müll, Müll,
Sondermüll..." Der Verurteilte, der seit dem 26. Mai 2002 in der JVA Attendorn
einsitzt, legte - wie auch die Staatsanwaltschaft - Berufung gegen das Urteil ein.
Oberstaatsanwalt Klemens Mehrer forderte auch gestern eine
empfindliche Bestrafung. An eine unüberlegte Dummheit glaubte der Ankläger indes nicht.
"Solche Parolen kommen nur hervor, wenn sie in Fleisch und Blut übergegangen
sind". Was in Niederschelden an jenem späten Abend gegrölt wurde, "ist schon
mit das Schlimmste, weil es an die Handlungsweise der Nazis im 3. Reich anknüpft."
Alleine für diese Hetztat sei ein Jahr Gefängnis fällig.
Auch was das "Müll-Müll-Sondermüll"-Lied angeht, sah
der Oberstaatsanwalt einen Bezug zu braunen Vernichtungs-Phantasien: "Sondermüll
wird verbrannt" (Mehrer).
Anders Verteidigerin Katharina Batz. Das "Müll, Müll,
Sondermüll" sei "ein Refrain aus einem Modelied des Wolfgang Petry". Da
sollte nur ein Bürger geärgert werden, der gerne Mülltonnen durchstöbert - "mehr
nicht". Die Jugendlichen, darunter auch ein 18-jähriges Mädchen, hätten in diesem
Fall nichts Rechtsradikales im Sinn gehabt.Im übrigen sei ihrem Mandanten die
"Dummheit" bewusst geworden. Auch der 24-Jährige unterstrich gestern in seinem
letzten Wort vor dem Urteil: "Ich will nichts mehr mit der rechten Szene zu tun
haben." Seine Arbeitsstelle hatte er wegen der Hetzerei bereits verloren. Und er ist
vorbestraft wegen Volksverhetzung: Ausländer hatte er als "Parasiten"
bezeichnet.
Unter Einbeziehung des letzten rechtskräftigen Urteils
verurteilte die 4. kleine Strafkammer den Angeklagten zu 15 Monaten Gefängnis ohne
Bewährung. Zudem droht ihm nun auch noch der Widerruf einer fast zweijährigen, zur
Bewährung ausgesetzten Haftstrafe, u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung.
Vorsitzender Richter Ulrich Hammer und die beiden Schöffen waren
gestern davon überzeugt, dass der Angeklagte im Februar 2001 "kein Mitläufer war:
Er gehörte voll der rechten Szene an."
Honoriert wurde andererseits, dass der Angeklagte sich
mittlerweile aus der Szene gelöst hat. Hammer: "Er weiß jetzt, worauf es
ankommt."
Von Wolfgang Krause
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